Steinklammhof

Beschreibung:

Kaum ein anderer Lost Place vereint in seinen Resten so viel Zeitgeschichte wie jener von uns besuchte ehemalige Lager-, und Industriekomplex im Pielachtal. Die großen Verwaltungsgebäude (z.B.: die ehemalige Molkerei) befinden sich heute in Privatbesitz und sind keine frei zugänglichen Objekte. Für Urban Explorer interessant ist jedoch das Einfahrtstor, das ehemalige Gebäude der Barackenverwaltung und das kleine Pumpwerk am Rande des Areals.

Historisches:

Der Ortsteil Steinklamm bestand bis vor wenigen Jahren fast ausschließlich aus dem Steinklammhofareal einen mehrere Wirtschaftsgebäude umfassenden Produktions-, und Wirtschaftskomplex mit interessanter Zeitgeschichte.

Eine erste Erwähnung fand der Komplex im Jahre 1841 mit Beginn der Erzeugung von Branntwein, Essig und Rosoglio (ein italienischer Likör aus Orangen und Orangenblüten) des Peter de Carro (bis 1869).

1880 erwarben Dr. Erwin Jurnitschek und Arthur Krupp den Steinklammhof. 1882 entstand dort die Wollfabrik Steinklammhof Krupp & Co., aus der im Jahre 1894 die Garn- und Zwirnfabrik Steinklammerhof OHG Krupp, Brass & Co. hervorging. 1900 kaufte schließlich die AG der k.& k. priv. Harlander Baumwollspinnerei- und Zwirnfabrik den Besitz.

1908 erfolgte erneut ein Besitzerwechsel – die Steinklammer Gummiwerke Ges.m.b.H. mit englischen Eigentümerverhältnissen (ebenso wie auch die „Harlander Besitzungen“).

Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges im Jahre 1914 erfolgte eine Beschlagnahmung und Zwangsverwaltung der gesamten Liegenschaft durch den Staat, und es wurde dort ein Lager für politische Gefangene (Reichsitaliener und politisch verdächtige italienischsprachige Österreicher) und Flüchtlinge, wie beispielsweise aus Görz (Friaul-Julisch Venetien) und Gradisca (Friaul – Isonzo-Front), sowie in weiterer Folge auch aus Südtirol und dem Gebiet rund um die istrische Stadt Pula in der sich Österreichs bedeutendster Kriegshafen befand, eingerichtet. Bis zu 8000 Gefangene waren hier zeitweise untergebracht.

Mit dem Ende des Krieges erwarb 1919 die Stadt Wien das ehemalige Lager Steinklamm, und errichtete dort 1920 eine Lungenheilanstalt. 211 Kranke wurden von 129 Angestellten betreut. Die von Dr. Julius Tandler geplante Vergrößerung der Heilstätte scheiterte am Veto der damaligen Gemeindeführung, welche die Verbreitung von Krankheiten befürchtete.

1921 wurde das Gelände durch eine Hochwasserkatastrophe schwer beschädigt, und 1925 die letzten Baracken des Lagers abgerissen und verkauft. Es blieben nur die gemauerten Gebäude und die Ökonomie bestehen. Eine dieser „Baracken“ war bis zu deren Abriss im Herbst 2010 in der Ramsteinstraße als „stummer“ Zeitzeuge zu sehen und diente mehrere Jahrzehnte als Wohngebäude.

Bestandteil des riesigen Lagerareals, welches sich seinerzeit von der sogenannten „Kalten Kuchl“-Abzweigung bis zur jetzigen „Allee“ (Radwegführung am südlichen Rand der Steinklamm-Siedlung) erstreckte, war auch ein großes Kirchengebäude, das 1915 gänzlich aus Holz errichtet wurde.

1927 wurde auf dem Areal die „Molkereigenossenschaft Steinklamm-Warth“ gegründet und 1928 an Theodora Kahil verkauft. Schon 1938 musste die Molkerei, deren Aufschrift auch heute noch an einem Gebäude erkentlich ist, aufgrund politischer Veränderungen schließen, und wurde in den nahe gelegenen Ort übersiedelt, und ein Erholungsheim für Kinder aus Wiener Privatschulen auf dem Areal untergebracht, bis 1938 mit der A. Kuhn & Co. OHG eine Textilfirma die Fabriksgebäude mietete. Bis 1946 wurde dort Verbandsstoffmaterial, beispielsweise auch für die Firma Rauscher erzeugt, danach technisches Gewebe, Reifen- und Riemengewebe und letztlich Reifenprodukte für die Firma Semperit.

1960 erneuter Eigentümerwechsel an Hayat Kioumgi und Dipl.-Ing. Carl Scheiber.

Das sogenannte „Ärztehaus“ und ein Großteil der ehemaligen Fabriksanlage wurden 1995 abgerissen.

Bis heute erhalten sind das „Einfahrtstor“ und das Gebäude der „Barackenverwaltung“ als letzte Relikte des einstigen k. & k. Internierungslagers und stumme Mahnmale einer bewegten Geschichte.

Galerie:

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