Hotel Blauensteiner
Beschreibung:
In unmittelbarer Nähe zum Kamp direkt an einer kleinen Nebenstraße befindet sich dieser Lost Place. Das geschichtsträchtige Hotel steht seit 1992 leer und verfällt zusehends. Bei unserem Besuch hatten wir das Glück, dass der derzeitige Verwalter und einige Architektur-Studenten vor Ort waren, sodass wir, völlig legal, das Gebäude betreten, und einige Fotos machen konnten, die wir euch untenstehend natürlich nicht vorenthalten.
Besonders bedanken möchten wir uns auch bei Herrn Andreas Weigel, der uns nicht nur Auszüge seiner umfangreichen historischen Aufzeichnungen zur Verfügung stellte, sondern auch wertvolle Informationen zum Objekt beisteuerte.
Geschichte:
Das bislang früheste öffentlich zugängliche Dokument zur Geschichte des Thunauer Terrassen-Hotels ist die Erwähnung in der Thunauer „Fremden-Liste“ des Jahres 1899. Aus dem Jahr 1900 stammt ein Versteigerungsedikt, das keinen Zweifel über den Widmungszweck („Hotel, complet eingerichtet“) lässt:
„Vom k. k. Bezirksgerichte Horn wird zur Vornahme der freiwilligen Versteigerung der nachstehenden Liegenschaften […] Haus Nr. 8 in Thunau (Hotel, complet eingerichtet) und Wiese E.-Z. 112 im Ausrufspreise von 44000 K [entspricht 2017 einer Kaufkraft von rund 292.000,– Euro] der 13. August 1900 […] bestimmt. Kauflustige haben an dem obbestimmten Tage im Hause Nr. 8 in Thunau zu erscheinen“.
Die Früh-Geschichte des Thunauer Hotels lag lange im Dunkeln, da keine Medienberichte überliefert wurden, obwohl das „Hotel E[rnestine] Šimunek“ um 1900 das einzige Hotel in Thunau war, was durch antiquarische Post- und Ansichtskarten diverser Sommerfrischler belegt wird. Darüber hinaus lässt eine von Šimunek anlässlich des Jahreswechsels 1900/01 unterzeichnete Ansichtskarte keinen Zweifel, dass das „Hotel E[rnestine] Šimunek“, Vorgänger des heutigen Hotel- und Terrassencafés Blauensteiner war. Die Ansichtskarte zeigt laut Aufdruck das „Hotel E[rnestine] Šimunek“, das statt des prächtigen Terrassenvorbaues nur einen einfachen Abgang zur Villengasse hatte.
Über Johann und Ernestine Šimunek ist vorerst nur bekannt, dass Julius Kiennasts Garser Chronik „Johann Šimunek“ 1899 als Bewohner des Hauses Haangasse 32 anführt und Johann Šimunek gemeinsam mit Ernestine Šimunek 1899 in Zitternberg zwei Villen (Nr. 24 und Nr. 25) errichten ließ, die 1901 in den Besitz der Notarsgattin Pauline Gelinek übergingen, nachdem die Zitternberger Villen im Mai 1901 gemeinsam mit dem Thunauer Hotel sowie der Villa, Nr. 31, in Buchberg am Kamp auf Betreiben von Marie Frischauf (Eggenburg) und Friederike Henninger (Wien) zur Liegenschaftsversteigerung ausgeschrieben worden waren.
Nach der Versteigerung geht das Thunauer Hotel in das Eigentum der Eggenburger Notarsgattin Marie Frischauf (geborene Wieser) (1870–1946) über. Sie ist seit 1892 Gattin des aus Wien stammenden und in Eggenburg tätigen Notars Eugen Frischauf (1866–1934), der heute als Obmann der Krahuletz–Gesellschaft und Volkskundler bekannt ist.
Obwohl die Frischaufs ihr Hotel verkaufen möchten, bleibt es bis 1917 in ihrem Eigentum. Allem Anschein nach beeinträchtigen die direkt angrenzenden Tischlerei- und Fleischhauer-Betriebe Wert und Wohlfühlfaktor des Hotels, das bis zirka 1909 als solches geführt wird, bevor die Zimmer als Wohnungen vermietet werden.
In diesem Zusammenhang ist es interessant zu sehen, dass schon auf der aus dem Jahr 1900 stammenden Ansichtskarte des „Hotel E[rnestine] Šimunek“ vier der sechs Richtung Fleischhauerei gelegenen Hotelfenster eigens zugemauert sind.
Um 1917 erwerben die Wiener Kaffeehausbesitzer Ignaz und Anna Dworschak das Hotel. Der vermeintliche Eigentümerwechsel Mitte der 1920er-Jahre beruht lediglich auf der amtlichen Änderung des Familiennamens Dworschak zu Hofer. Um 1927 wird das Hotel durch den prächtigen Terrassenvorbau zur „Pension und Terrassencafé Hofer“ erweitert.
So hebt um 1930 ein Inserat im „Illustrierten Führer durch das Waldviertel und Kamptal“, mit dem Firmennamen sowohl die markante Terrasse als auch den neuen Eigentümer hervor: „Pension und Terrassencafé ‚Hofer‘. Gars-Thunau – Niederösterreich. Gut bürgerliches Haus mit freundlichen Fremdenzimmern. Wiener Küche. Vorzügliche Getränke. Herrliche Terrasse mit schöner Aussicht. – Eigener Tennisplatz mit [Buffet]. Eigene Badeanlage.“
Anfang der 1930er-Jahre erhält das architektonisch ansprechende Hotel einen neuen Miteigentümer und Namen: „Hotel Pension Café Karl Endres und Hofer“. Um 1933 erwerben Karl und Hildegard Endres den restlichen Teil des „Hotel Terrassen-Kaffees“. Folglich zeigt eine aus dem Jahr 1934 stammende Fotografie ein beim „3 Mäderlhaus“ (Thunau Nr. 48) angebrachtes Reklameschild: „Hotel – Pension Terrassenkaffee 2 Minuten von hier. Schönste Lage. Billige Preise. Beste Wiener Küche. Wiener Kaffeehaus. Grosse Terrasse.“ (21) Um diese Zeit wird das Hotel mit wortreichen Plakaten beworben, deren Text auf den erneuten einen Besitzerwechsel hinweist:
„Hotel ‚Terrassen-Kaffee‘ Pension (Besitzer Karl Endres). Angenehmster Aufenthalt, ruhig, staubfrei, am Waldesrand gelegen. Große, sonnige Terrassen für Sonnenbäder. Liege-Kuren! Liegestühle! Strandbäder in der nächsten Nähe im eisenhältigen Kampflusse. Wiener Kaffeehaus. Gars-Thunau. 2 Minuten vom Bahnhof. Vorzügliche Wiener Küche. Volle Pension von 5 Schilling [entspricht 2017 einer Kaufkraft von rund 18,– Euro] aufwärts. Tanz im Freien. Konzerte, Vorträge, Radio. Herrlichste Umgebung, Ausflüge in Nadelwaldungen. Wochenend-Aufenthalt. Zimmer von 1.50 Schilling [entspricht 2017 einer Kaufkraft von rund 5,– Euro] aufwärts.“
1935 verkaufen Karl und Hildegard Endres Haus und Grund an den aus Thunau stammenden Wiener Gastwirt Franz Blauensteiner (1913–1998). Der Vor-Vorbesitzer Ignaz Hofer wird Ende Juni 1937 als Auskunftsperson für die Hotel-Pension genannt, die inzwischen den Namen des neuen Eigentümers trägt:
„Pension Blauensteiner Thunau a[m] Kamp, ruhig, schöne, sonnige Lage, zwei Min[uten] vom Wald. Bad und Bahn, gute Unterkunft u[nd] Verpflegung. Pension von S[chilling] 5,– aufw[ärts] [entspricht 2017 einer Kaufkraft von rund 18,– Euro]. Auskunft Café Hofer. Ob[ere]-Donaustr[aße].“
Zwischen 1958 und 1968 hatte die Hotel-Pension Blauensteiner meist nur in den Monaten Juli und August geöffnet, wobei – je nach Auslastung und Wetter – in manchen Jahren schon ein, zwei Wochen früher bzw. später auf- bzw. zugesperrt wurde. In dieser Zeit war die Burgschauspielerin Johanna Borak (1919–2004) mit ihrer Mutter Ludmilla Stammgast im Blauensteiner. Die Gegend gefiel beiden so gut, dass sie diese der Kinderbuchillustratorin Susi Weigel (1914–1990) und Barbara Weigel empfohlen haben. Letztere hat in der Folge das Blauensteiner in den Jahren 1973 und 1974 geleitet.
Mehrmals täglich betrachteten die Gäste des Thunauer Hotels von der Terrasse aus gespannt die imposanten Rauchwolken der gemächlich vorbeischnaubenden Dampflokomotiven, die bis Mitte der 1970er Jahre zum gewohnten Bild der Sommerfrische Gars gehörten, weshalb es nur konsequent schien, dass mit der Dampflok-Epoche auch die große Zeit der Sommerfrische Gars sowie des traditionsreichen Hotel und Terrassen-Café Blauensteiner zu Ende gehen sollte, das Franz Blauensteiner im Jahr 1980 von seinem Vater übernommen hat. Zuletzt diente das architektonisch interessante Gebäude Mitarbeitern des Garser „Bio Trainingshotels“ als Quartier, wurde aber 1992 trotz des einsetzenden touristischen Aufschwungs ruhend gemeldet. Seither bleibt es seinem langsamen Verfall überlassen, der 2002 durch das Jahrhunderthochwasser beschleunigt wurde.
Die vollständige historische Aufarbeitung inkl. vieler interessanter zeitgeschichtlicher Abbildungen und Dokumente kann unter folgendem Link nachgelesen werden:
[Blog: Stars in Gars, © Andreas Weigel]
Buch-Tipp: Andreas Weigel: Stars in Gars. Schaffen und Genießen. Reich bebilderte Geschichte der Sommerfrische Gars-Thunau von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. In: Stars in Gars. Schaffen und Genießen. Künstler in der Sommerfrische. Herausgegeben vom Museumsverein Gars, Zeitbrücke-Museum Gars (Gars 2017). 32, 36-39, 103–105 und 143f.
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