1000 jährige Linde Pottendorf
Beschreibung:
1918 wurde von Irma Esterházy zum Teil aufgeschrieben was der Baum schon alles erlebt hat.
„Das Wahrzeichen des Schlosses Pottendorf ist gefallen. Der schöne Lindenbaum, der im Park stand, liegt nun entzweigespalten auf dem Erdboden. Hat es ihm der tobende Junisturm angetan oder teilte der ehrwürdige alte Lindenbaum die Ansicht der vielen alten Leute, dass sie lange genug gelebt hätten? Wer kann sein Alter nachzählen? Nicht wir, noch unsere Väter oder Urgroßväter, denn mindestens 600 Jahre stand er an demselben Platze. Die römischen Buckelquadertürme des Pottendorfer Schlosses beschatteten seine Jugend noch lange bevor dieselben mit Kanonen und Lafetten gegen den bösen Türkenfeind versehen waren.
Schon damals blühte der Lindenbaum auf einem kleinen Hügel, der nach unverbürgter Sage das Grab eines Ritters in einem silbernen Harnisch bergen soll. – Im Spiegel des sanft dahinfließenden Wassers konnten sich beide, Lindenbaum und Kapelle, sehen und begrüßen und der Baum konnte seine Andacht vor dem Bilde des Hl. Christoph mit dem Jesukind verrichten, das auf der äußeren Seitenwand der Kapelle seit urdenklichen Zeiten gemalt war. Doch kurz nach der Ankunft der jetzigen Schlossherren wurde dem Baum eine besondere Freude zuteil. Er erhielt von ihnen sein eigenes Muttergottesbild und hängten es am ehrwürdigen Lindenbaum auf zum ewigen Andenken an ihr kurzes Dasein im Schloss Pottendorf – so dachten sie. Ihr Leben musste ja der ehrwürdige alte Stamm mit überlegenem Lächeln wirklich nur als kurzes Eintagsfliegenleben betrachten im Vergleiche zu seinem Alter. Ungern sah der alte Riese die neuen Menschenkinder. Hatte er doch in seinem 600-jährigen Leben so viele, viele gesehen in den verschiedensten Trachten.
Die in grauer Vorzeit lebenden Menschen bauten all das Schöne um ihn herum. Die späteren Generationen zerstörten alles, plan- und sinnlos. Auf den einstigen Burgbau hatten sie es abgesehen, als ob sie es im Vorhinein geahnt hätten, dass ihnen bald nichts mehr hilft, dass Burgquader sie nicht schützen können. – Die Freude über das eigene Marienbild stimmte den Lindenbaum milde gegen die neuen Bewohner. – Dies verdross die Kapelle sehr. Schon seit längerer Zeit war die Eintracht zwischen ihr und dem Lindenbaum gestört. Die Kapelle konnte nicht ertragen, dass jährlich am Fronleichnamstage der Lindenbaum bevorzugt wurde. Die schöne Prozession hielt bei ihm mit Kindern und Bannern. An seinem Stamm stand angelehnt der Schlossaltar. Das Allerheiligste begrüßte er! Die Kapelle durfte nur die alten, heiseren Glocken zur Feier läuten, die schon längst von den großen Pfarrkirchenglocken übertönt waren.- Wusste der sausende Wind von dieser Bestimmung, oder unterließ die Kapelle einmal mit ihrer mächtigen Mauer den Lindenbaum vor dem Anprall des Windes zu schützen? – Eines Tages zu Mittag, gepeitscht von einem Orkan, brach der alte Lindenbaum in sich zusammen. Schön war sein Tod, galt doch sein letzter Kraftaufwand, das Muttergottesbild mit dem Jesukind zu schützen. Wie musste er seine altersschwachen Kräfte anstrengen, um dem Sturmwind zu trotzen, der ihn vollends niederringen wollte und es gelang ihm. Der Teil des Stammes auf dem das Bild hing, senkte sich sanft zur Erde nieder. Trotz des Sturmes Geheul blieb das Bild unversehrt. Die Jahrhunderte alten Äste mit den letzten Blüten wölbten sich über das Marienbild und bildeten eine laubbedeckte, blütenduftende Grotte. Die Menschenkinder freuten sich dass ihnen Marias Schutz geblieben ist, obwohl sie ihren Freund, den Lindenbaum schmerzlich vermissen werden.“
Auch nach über 100 Jahren ist das alte Gehölz noch am Leben, denn jedes Frühjahr sprießen neue Zweige und frisches Grün. Irma Esterházy, die Autorin der obigen Geschichte, verstarb am 16. November 1925 im Alter von 68 Jahren. Ihr Ehemann Nikolaus errichtete ihr nahe dem Schloss auf der „Margariteninsel“ einen Gedenkstein, der bei der Restaurierung des Parks wiederentdeckt wurde, einschließlich eines verloren geglaubten urnenförmigen Oberteils. Eine Sanierung erfolgte 2013.
Bei den Ortsführungen und Gesprächen über das Schloss und den Schlosspark wird oft die Sage des Ritters in der silbernen Rüstung erwähnt, der unter der Linde auf dem Hügel begraben sein soll. Auch Direktor Ludwig Paulik hat die Sage literarisch bearbeitet.
Beim Einmarsch der russischen Truppen im Jahr 1945 wurden durch einen Fehler des eigenen Artilleriefeuers mehrere Soldaten getötet. Vier von ihnen wurden im Schlosspark in der Nähe der Linde begraben, später jedoch exhumiert und in Ebenfurth beigesetzt.
Die „1000-jährige Linde“ ist seit 1928 ein Naturdenkmal.
Um die alte Linde zu schützen, wurde im Mai 2021 eine Einzäunung aus Teilen des Geländers des ehemaligen „Langen Hauses“ (Krennergasse 1-3) errichtet.
Koordinaten: W96P+83 Pottendorf
Galerie: